Warum die
Einheitsversicherung eine Schnapsidee
ist:
Betr.: Ideologie im
Gesundheitswesen: Wo und unter welchen Bedingungen
geht es gerecht zu ?
Ich gebe sinngemäß einen Leserbrief
von Thomas Scholz , Berlin vom 20.12.17 in der taz
wieder:
"Rationierung im
Gesundheitswesen" er bezog sich auf den
Artikel:
„Gesundheit, Wohnen, Rente
oder Pflege; Bewegt sich da was?",
taz vom 13.12.17 habe
noch erklärende Ergänzungen hinzugefügt.
Ärzteverbände sind nicht nur
aus pekuniärem Interesse gegen eine Bürgerversicherung,
sondern auch, weil sie eine
massive Verschlechterung der Patientenversorgung befürchten.
Die jetzt als Zweiklassenmedizin
empfundenen Wartezeiten auf Termine sind Ergebnis politisch gewollter
Kostendämpfungsmaßnahmen,
nämlich entstanden durch strikte Begrenzung der ärztlichen
Arbeit, Stichwort Quartalsbudget,
d. h. jedem
Kassenarzt ist ein Quartalshonorar
zugeteilt.
Warum sollte dieser nach Erreichen seines Verdienstes
zusätzlich noch Termine mit unbezahltem
Arbeiten anbieten ? Und selbst
wenn wir kostenlos arbeiten, was wir häufig tun,
ist unsere Leistungsreserve endlich. Wollte eine
Regierung ernsthaft Wartezeiten verkürzen,
müsste sie a.) die Deckelung
des ärztlichen Honorars abzuschaffen. b) Die
Zahl an Medizinstudienplätzen erhöhen, was die
Bundesländer wegen 200 000 Euro Kosten pro
Studienplatz nicht wollen, und
c) die Attraktivität des Berufs
erhöhen.. d) Dazu gehört auch,
die Folgen "weiblicher Medizin", d.h. die
Familienzeiten für die überwiegend heute
weiblichen Berufsabgänger in die Bedarfsplanung
einzubeziehen.. Dies ist aber wie schon bei
der Lehrerplanung wohl nicht möglich,
weil Rechnen Glücks- und
Absichtssache ist. (siehe b)
Verdeckt sind noch andere
Rationierungsmaßnahmen in der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) installiert, z. B. darf der Arzt nur
eine begrenzte Menge an Heilmitteln oder Medikamenten
verordnen, bei Überschreitung muss
er durch zeitraubende ausführliche Begründungen einen Regress
(sprich: Strafe zahlen) abwenden. Allein
diese Drohung hat dazu geführt, den
Beruf des selbständig praktizierenden Arztes
völlig unattraktiv zu machen.. Ergo: Die
ideologisch und pekuniär nach
Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten geprägte
deutsche Gesundheitspolitik hat seit Horst
Seehofer als Gesundheitsminister begonnen, die
Grundlagen eines funktionierenden
Gesundheitswesens selbst auszuhöhlen.. Seit
der Entmachtung der ärztlichen Direktoren in den
Kliniken durch Verwaltungsdirektoren mit
betriebswirtschaftlicher Ausbildung ist auch das
Patienteninteresse nicht mehr im
Vordergrund, sondern das Interesse der
gesellschaftlichen Gruppen (wie Arbeitgeberverbände und
Gewerkschaften) nach einer Deckelung der
Gesundheitskosten.
Bei Privatpatienten gibt es
diese Beschränkungen scheinbar nicht. Deshalb würde eine einheitliche
Gebührenordnung auch keine Besserung bringen, wie es Prof.
Lauterbach suggeriert. Allerdings hat jeder
Privatversicherte durch Eigenbeteiligung,
Verwaltung seiner durch Arztleistung verursachten
Rechnungen ein Eigeninteresse an
Kostenminimierung.. Hier Pauschalierung, Zuteilung auf
niedrigem Niveau und
Mengenbegrenzung, dort freiberufliches Handeln, und
größere Eigenverantwortlichkeit als größter Vorteil
der privaten Krankenversicherung.
Nur der Wegfall der GKV
(gesetzlichen Krankenversicherungs-)
Rationierungsmaßnahmen
würde einer Bevorzugung von Selbstzahlern den Boden
entziehen. Das aber ist nicht angedacht. Im Gegenteil: neue
diagnostische Verfahren oder Medikamente würden ohne die
Private Krankenversicherung (PKV) noch zögerlicher zu
Leistungen der GKV. Computertomografie,
MRT oder PET
waren erst privat zu bezahlen, dann als Einzelleistung auf
Antrag finanziert, bis sie Leistung der GKV wurden. Ohne den
ständigen Vergleich mit der PKV ließen sich Rationierungen
oder Verweigerung von Innovationen noch leichter
bewerkstelligen. Eine Bürgerversicherung würde bestehende
Unzulänglichkeiten des Gesundheitswesens nicht beseitigen,
sondern sie verschärfen. Zu überlegen wäre
m.E. auch die Eigenverantwortung der Patienten der
gesetzlichen Krankenversicherung z.B. durch
Boni bei Vorsorgeuntersuchungen, oder auch
gesundheitsfördernden Kursen und
Mali bei Risikoverhalten wie Rauchen,
Bewegungsmangel und Übergewicht zu
steigern.
Thomas Scholz,
Berlin - in Einzelpunkten ergänzt
Joachim Fügel
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